Scharf beobachtet

25. November 2013

Der augenscheinlich junge Journalist Yulian Ide berichtet in der Kolumne 0 Uhr 30 der Berliner Zeitung über seine „studienbedingt“ verbrachten Abende bei Lesungen. „… im Gegensatz zu irgendwelchen aus dem Ruder geratenen Studentenpartys sind solche Literaturveranstaltungen ja sogar Abendbeschäftigungen, von denen ich meinen Eltern später bei einem Besuch erzählen kann.“ Aha. „Trotzdem (…) langeweile ich mich dort halb zu Tode.“ Das liegt daran, dass „der Schriftsteller“, wenn er die Bühne betritt, immer ein Glas Wasser neben sich zu stehen hat, „nie ein Glas Apfelsaft oder eine Tasse Tee“. Denn das ist Programm. „Wir, die Zuhörer, sollen uns bloß  auf keinen allzu peppigen Abend einstellen: ziemlich farblos, sprudelt nicht, schmeckt nach nichts.“ Yulian Ide fragt sich deshalb „was denn dagegen spräche, dem Schriftsteller statt einem Glas Wasser (den fehlenden Genitiv bitte ich zu entschuldigen) mal einen Gin Tonic oder aber ein kühles Bier zu servieren.“ Ja, das frage ich mich auch. Doch nicht nur der Schriftsteller muss sich bei Lesungen heutzutage bescheiden, nein, „auch für das Publikum ist Alkohol streng rationiert.“ Hmm. „Rot- oder Weißwein ist die einzige Frage, die man sich stellen muss, wenn die Antwort nicht nüchtern sein soll.“ Er nimmt sich deshalb vor sein „nächstes Buch doch lieber wieder selbst zu lesen (…) mit einem kühlen Wegbier in der U-Bahn“. Ja, das ist vielleicht eine gute Idee. Ich dagegen werde auch heute wieder eine Lesung besuchen und sogar selbst vorlesen, neben mir natürlich ein Glas Wasser stehend, welches nach nichts schmeckt.

Heute: Berlin, Kaffee Burger, 21 Uhr: Peace, Love & Poetry (die Satire auf den modernen Dichterwettstreit)

Allgemein | Kommentare

3 Kommentare zu “Scharf beobachtet”

  1. 01

    Einer meiner Lieblingssprüche:
    Ich trink nichts wo Fische drin – äh ich sach ma – kopulieren. Beim Kindergebu kann wohl auch sagen reinpinkeln.
    Ist schon ein hartes Los seriöser Schriftsteller zu sein.

    Olaf am 26. November 2013 um 07:52
  2. 02

    Endlich sagts mal einer. Diese Lesungsveranstalter haben ja keine Ahnung, was Schriftsteller und Publikum wirklich wollen und worauf es bei einem solchen Abend letzten Endes doch ankommt: Bier und Gintonic. Mann.

    Floda Nashir am 26. November 2013 um 08:55
  3. 03

    Nicht traurig sein. Der junge Journalist (?) schreibt meistens so. Wahrscheinlich ein unbezahlter Praktikant, der mal irgendwas mit Medien machen will und solange versucht, It-Boy zu werden. Dazu gehört natürlich auch die unglaubliche Coolness, zu Lesungen zu gehen, die einen nicht interessieren, um dann anderen zu berichten, wie uninteressant es war.

    andi am 28. November 2013 um 14:33

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