Corona-Tagebuch 166

1. September 2020

Immer mal wieder wird medial, aber auch in meinem persönlichen Umfeld, darauf verwiesen, dass Menschen vermehrt Verschwörungstheorien anhingen. Dies wird gerne mit dem Verweis auf die Bedeutung des Internets erklärt. Wenn man sich die Geschichte der Menschheit aber betrachtet, komme zumindest ich zu dem Schluss, dass zu allen Zeiten Menschen Dinge, die sie sich nicht erklären konnten, erklärbar zu machen versuchten. Gern auch durch Teufel, Dämonen, Hexen, „fremde Mächte“. Was ist eine Religion schon anderes als eine Verschwörungstheorie? Selbst wenn sie dir persönlich das Leben erleichtert. Hungersnöte, Krankheiten, Kriege als Strafe Gottes? Die apokalyptischen Reiter? Die Mächte der Finsternis? Gab es je mehr Menschen als jetzt, die rational versuchten, Antworten zu finden? „Zukunftsforscher“ Daniel Dettling glaubt, dass wegen der Corona-Krise mehr Menschen von der Stadt auf ’s Land ziehen werden: „Die Großstädter wussten von heute auf morgen nichts mit sich anzufangen. Jetzt war plötzlich nicht mehr das Land der Lebensraum der großen Langeweile, sondern die Stadt.“ Ich habe noch nie geglaubt, dass „das Land der Lebensraum der großen Langeweile“ ist und werde trotzdem, auch wegen Corona nicht, darüber nachdenken auf ’s Land zu ziehen. Vielleicht bin ich die Ausnahme? Halte allerdings auch nicht viel von „Zukunftsforschung“, vor allem, wenn jene „Forscher“ aus singulären Ereignissen gleich eine langfristige Entwicklung herzuleiten versuchen. Vor 10 Jahren noch wurde die Entvölkerung des Landes prognostiziert. Abwarten. Rekord bei Neuinfektionen meldet Israel, 2.159 Fälle am Tag. Vom Schulbeginn dort waren heute rund 140.000 Schülerinnen und Schüler aus 23 „roten“ Ortschaften mit hohen Corona-Infektionszahlen ausgeschlossen. Auch in anderen Ländern begann das neue Schuljahr. In Frankreich und in Belgien gibt es eine Maskenpflicht für Lehrer und alle Schüler ab 11 Jahren. In Russland gibt es keine Maskenpflicht, dafür beginnt der Unterricht in den Klassen zeitversetzt, damit es nicht zu großem Gedränge kommt. In Bayern gibt es eine neuntägige Maskenpflicht bei weiterführenden Schulen. Nordrhein/Westfalen schafft die Maskenpflicht an jenen Schulen ab, nach 14 Tagen. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im August leicht um 0,1% auf 2,95 Millionen gestiegen. Der Bonner Philosoph Markus Gabriel verweist auf moralische Rückschritte: „Wir erlebten im Grunde eine Corona-Olympiade, wo jedes Land meinte, die eigenen Maßnahmen seien die besten.“ „Die Pandemie ist aber ein universelles Problem.“ Ethisch müssten universelle Werte zugrunde gelegt werden. Denke ich ebenfalls und nicht nur angesichts von Corona. Über 100 Covid-19-Tote meldet Montenegro, über 200 Simbabwe, über 800 Äthiopien, über 2.000 Panama, über 5.000 Bolivien, über 7.000 der Irak, über 65.000 Indien. Die Protestierenden gegen die Corona-Maßnahmen letztes Wochenende in Berlin, bezeichnet die ehemalige SED-Genossin, dann Grüne, dann CDU-Abgeordnete und mittlerweile weit nach rechts abgedriftete Vera Lengsfeld übrigens als „Freiheitsdemonstranten“ unter die sich „ein paar Rechtsradikale“ gemischt hätten. Ich male mir die Welt, widiwidi, wie sie mir gefällt.

Tipp für heute: Romantik ist eine Kunstepoche aus der Vergangenheit.

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