Unrecht

5. Juli 2008

Richtig ist, sich mit dem Verdrängen oder Vergessen zu beschäftigen. Stasitätigkeit oder angebliche Stasitätigkeit von Gregor Gysi oder Jenny Gröllmann, SS-Mitgliedschaft und das Schweigen darüber von Erwin Strittmatter oder Günther Grass, das muss man kritisieren. Falsch aber ist, diesen beiden Unrechtssystemen das heutige System als positives Beispiel gegenüberzustellen. Auch heute wird geduckt, geheuchelt, weggeguckt und in vollem Rechtsbewusstsein Unrecht getan, dass die Wände wackeln. Man beruft sich auf geltendes Recht, wie es auch in der Nazidiktatur jeder Bürger hätte tun können. Wenn zum Beispiel faktisch keinem Flüchtling mehr eine Chance auf Asyl gewährt wird, dann ist das Unrecht, da kann es noch so viele Gesetze geben. Wenn man einem Menschen nicht alle medizinischen Behandlungsmöglichkeiten zukommen lässt, bloß weil er sie nicht bezahlen kann, dann ist das Unrecht. Und wenn Kriege geführt werden, ohne dass man selber bedroht wird, dann ist das auch Unrecht. Ich will damit nicht das Dritte Reich mit der BRD gleichsetzen, so wie man auch das Dritte Reich nicht mit der DDR gleichsetzen kann, auch liegt es mir fern DDR und BRD gleichzusetzen, vergleichen tue ich, vergleichen tut man immer, und dann stelle ich fest, dass ich im System der BRD mehr Freiheiten genieße als im System der DDR und doch werden, so vermute ich jedenfalls, eines Tages Journalisten erneut die gleichen Fragen stellen, warum man nichts getan hat, beispielsweise, oder auch warum man dieses System aktiv unterstützte.

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8 Kommentare zu “Unrecht”

  1. 01

    Zumal ja die Aufgabe der Journalisten folgende sein sollte: Zu zeigen wie es wirklich ist,jetzt und hier und überall auf unserem Erdball,und die Zusammenhänge verdeutlichen.Ich mag keinerlei Hatz auf Leute,die sich in den dunklen Zeiten arrangieren MUSSTEN!Finde das nur feige !

    Alex am 5. Juli 2008 um 20:54
  2. 02

    Ich finde die Einsicht erhellend, dass es wohl besonders die Feigen der Gegenwart sind, die mit den Fingern auf die Feigheiten der Feigen der Vergangenheit zeigen.

    Konrad Endler am 6. Juli 2008 um 11:33
  3. 03

    […] Unrecht […]

  4. 04

    Erhellend?

    Ich finde, daß jemand, dem damals Unrecht widerfahren ist, dieses benennen kann, ohne daß von ihm verlangt wird, daß er auch heute besonders mutig ist.

    stralau am 6. Juli 2008 um 12:12
  5. 05

    Habe mich wohl im vorherigen Posting etwas undeutlich ausgedrückt.
    Mit den „Feigen der Gegenwart“ meinte ich jene, die politisches Kapital aus der Vergangenheit anderer ziehen, ihnen Charakterschwächen andenken, die ihnen selber nicht fern liegen. So, wie man es beim Fall Gysi gerade sehr gut erleben durfte.
    Über diese Heuchelei in der Selbstsicht schrieb Ahne in seinem Beitrag. Auf den bezog sich der meine. Von Schuld und Sühne war bisher nicht die Rede.

    Konrad Endler am 6. Juli 2008 um 12:37
  6. 06

    Wenn ich Ahnes Text richtig lese, geht es ihm vor allem darum, nicht so zu tun, als sei im Vergleich mit früheren Gesellschaften das heutige System über alle Zweifel erhaben.

    Den Fall Gysi habe ich nicht in allen Details verfolgt, aber da ging es doch vor allem um einen Rechtsstreit zwischen ihm und der BStU sowie dem ZDF, oder?

    Ich sehe nicht, wie sich zum Beispiel Marianne Birthler hier zum Heuchelei vorwerfen lassen könnte. Aber vielleicht gab es ja Äußerungen in der Debatte, die nicht bis zu mir gedrungen sind.

    stralau am 6. Juli 2008 um 13:12
  7. 07

    Ich gehe davon aus, dass Frau Birthler nicht auf politischen Gewinn aus ist, sondern ihren Job macht. Heuchelei kann ich da auch nicht erkennen. Sowas würde ich auch nie behaupten.

    Konrad Endler am 6. Juli 2008 um 13:26
  8. 08

    „Das ist der Fluch des Schlaraffenlandes“- Dota, die Kleingeldprinzessin und die Stadtpiraten.

    Friederike am 6. Juli 2008 um 20:24

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