1995 hieß es auch schon, die jüngere Generation würde kaum noch zwischen Ost und West unterscheiden

26. Oktober 2022

Habe mir gestern in der ARD die Reportage der Sport-Moderatorin Jessy Wellmer ‚Russland, Putin und wir Ostdeutschen‘ sowie die nachfolgende Talk-Sendung ‚Hart aber fair‘ zum Thema angeschaut. Ich finde es bemerkenswert, dass der Leiter der Talk-Sendung, Frank Plasberg, die Dokumentation eine „bemerkenswerte“ findet, weil dort Ostdeutsche ihre Meinung sagten. Sollte das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eines demokratischen Landes nicht vollkommen normal sein? Ich fand die Reportage eher schwach. Eine Sport-Moderatorin (gab es keine Politik-Journalistin mit Ost-Hintergrund?), die 1979 geboren ist, seit langer Zeit im Westen lebt und, nach eigenen Worten, den Osten dort immer wieder erklären muss, fährt in ihre Heimat, weil sie mit den Menschen, unter anderem ihren Eltern, reden will, warum hier viele anders über Russland und den Ukraine-Krieg und überhaupt denken. Dass man in einer Dreiviertelstunde, will man sämtliche Positionen abbilden, vom alten NVA-Offizier, über den Silly-Gitarristen, eine Journalistin, bis hin zu drei älteren Damen auf einer rechten Demo (jüngere Menschen wurden gar nicht gefragt), nicht viel Tiefe erwarten darf, kaum verwunderlich. Dass aber die Aussagen direkt von einer Politologin kommentiert werden, die sagt, warum so und so gedacht wird, dürfte eher Teil des Problems sein. Eine Zumutung dann, was bei ‚Hart aber fair‘ ablief. Da saßen ein ehemaliger Sportler, Henry Maske, und eine einfältige „Politikberaterin“ aus Sachsen für den Osten, zwei Politik-und-Medien-Profis für den Westen gegenüber, dazwischen Jessy Wellmer in der Rolle der Vermittlerin. 32 Jahre nach der Vereinigung kann ein Politikwissenschaftler in dieser Sendung immer noch sagen, die Ostdeutschen hätten ein Problem mit ihrer nahtlosen Diktaturerfahrung, das dauere eben. Und niemand widerspricht. Wie ist das eigentlich 1977 in der alten Bundesrepublik gewesen? Die waren ja ganz alleine damals. Und das mit ihrer Diktaturerfahrung. Muss eine grauenhafte Zeit gewesen sein.

Heute: Cottbus, Bebel, 20 Uhr: Lesebühne Cottbus mit u.a. mich als Gast

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