Widersprüche erkennen (2)

23. Februar 2010

In der zweiten Folge meiner Reihe, in der ich die Widersprüche der Grimmschen Märchen aufliste, soll es heute nach ‚Aschenputtel‘ um das sattsam bekannte Märchen ‚Rotkäppchen‘ gehen.

Widerspruch 1: Seit wann fürchtet sich ein kleines Mädchen nicht vor einem Wolf, noch dazu einem, der nicht von selber wegrennt (Tollwut?) und es dann auch noch anspricht? Die liebe Mutter weist ihr Kind zu Recht auf die Gefahr hin, dass sie, wenn sie vom rechten Wege abkomme, stürzen könne und die Flasche Wein zerbräche. Aber vor Wolfsbissen warnt sie ihr Kind nicht? Ist sie etwa eine Stiefmutter?

Widerspruch 2: Der Wolf denkt sich beim Rotkäppchen: „Das ist ein fetter Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte: Du musst es listig anfangen, damit du beide schnappst.“ Dann hätte er sie doch aber, nachdem sie ihm den Weg zur Großmutter beschrieben hatte, gleich fressen können. Hmm.

Widerspruch 3: Das Großmütterchen kann die Stimme ihrer Lieblingsenkeltochter nicht von der Stimme des Wolfes (Kreide hatte er diesmal nicht gefressen) unterscheiden? Das ergäbe nur einen Sinn, wenn sie schlecht hört. Aber sie versteht ja alles, was der Wolf sagt.

Widerspruch 4: Der Wolf verkleidet sich als Großmutter und zieht die Vorhänge zu. Aber warum lässt er die Tür offen stehen?

Widerspruch 5: Seit wann denkt ein Jäger, der am Haus einer alten, schnarchenden Frau vorbeikommt, daran, es könne ihr etwas fehlen und geht, ohne darum gebeten worden zu sein, hinein zu dieser schlafenden Frau?

Widerspruch 6: Wenn man schon den Wolf nicht gleich erschießt, sondern supersonderschlau vermutet, er könne die noch zu rettende Großmutter gefressen haben, diese dann samt Rotkäppchen befreit, indem man ihm den Bauch aufschneidet (was dieser natürlich nicht merkt), warum lässt man ihn dann nicht einfach verbluten oder erschießt ihn jetzt endlich, sondern macht sich stattdessen die Mühe, den Bauch mit Wackersteinen zu füllen? Und auch noch zuzunähen? Weil man das beim ‚Wolf und den 7 Geißlein‘ gelesen hat?

Widerspruch 7: Die Großmutter erholt sich dadurch, dass sie Kuchen isst und Wein trinkt? Bekifft?

Widerspruch 8: Der größte Hammer ist ja aber wohl das, was unterm Strich noch dazugeschrieben ward. Nämlich die Geschichte, dass Rotkäppchen noch einmal einem anderen Wolf begegnete, nun aber alles richtig machte, nicht auf ihn hörte, zur Großmutter lief und ihr erzählte, dass er sie wohl gefressen hätte, „wenn `s nicht auf offener Straße gewesen wäre“. In einem Wald? Eine offene Straße? Und, Hand auf `s Herz, welcher Wolf lässt sich schon wegen offener Straßen vom Verzehr eines saftigen Rotkäppchens abbringen. Sowas gibts doch nur im Märchen.

Heute: Berlin, Schokoladen, 21 Uhr: L.S.D.-Liebe statt Drogen (mit mich als Gast)

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