Corona-Tagebuch 86

7. Juni 2020

Über 15.000 Menschen demonstrierten gestern allein in Berlin gegen strukturellen Rassismus und solidarisierten sich mit dem Opfer von Polizeigewalt in den USA George Floyd. Vereinzelt kam es laut Polizei dabei zu Flaschen- und Steinwürfen. Vor allem aber wurde kritisiert, dass keinerlei Abstandsregeln eingehalten wurden, teilweise auch gar nicht eingehalten werden konnten. Ich finde es positiv, dass so viele Menschen gegen Rassismus auf die Straßen gehen, vor allem so viele junge Menschen. Das lässt mich hoffen, dass wir irgendwann einmal wirklich dahin kommen, dass die Hautfarbe keinerlei Rolle mehr spielt, zumindest in gesellschaftlicher Hinsicht. Nicht nur in punkto Gewalt oder offener Anfeindungen, sondern auch, dass niemand mehr gefragt wird, wo er eigentlich her kommt. Dass niemandem mehr gesagt wird, er spreche aber gut Deutsch, wenn man gar nicht weiß, wo er eigentlich herkommt. Dass niemandem mehr mitgeteilt wird, er habe sicher ein tolles Rhythmusgefühl, könne gut tanzen, sei eine Granate im Bett, „das kenne man ja“, wenn man es eben nicht kennt. Klar, besäße ich diese Eigenschaften alle gerne, doch wird man von vornherein so charakterisiert, ist es nicht nur so, dass man auf den Gebieten bloß enttäuschen kann und nicht als Individuum wahr genommen wird, nein, man weiß, dass jene Menschen die andere Seite der Medaille lediglich nicht erwähnen, die Kehrseite nämlich, dass sie dich als faul und geistig minderbemittelt einstufen. Wird natürlich niemand zugeben, doch diese Einschätzungen sind meiner Meinung nach immer noch äußerst verbreitet. Ein Mathematik-Professor mit schwarzer Hautfarbe wird schon noch bestaunt. Ob der sich wohl besonders anstrengen musste? Ich nehme mich da gar nicht aus. Mir fallen meine Vorurteile um so stärker auf, vergegenwärtige ich mir, wie schlimm ich es fand, wenn Weißhäutige im Mauerpark trommelten, wenn sie Reggae sangen und spielten oder Soul, Hiphop, Blues. Das können Weiße doch gar nicht, liegt denen nicht im Blut, moserte ich. Dabei habe ich zum Beispiel das sehr wohl im Blut. Ihr müsstet mich mal erleben, vor dem Spiegel. Die Dortmunder SPD hat einen Parteitag im Autokino abgehalten. Etwa 80 bis 90 PKW’s seien vor Ort gewesen, berichtete DPA. Die Delegierten mussten sich per Hupe zu Wort melden und bekamen dann ein Mikro gebracht. Abgestimmt wurde mit roten und gelben Karten, die aus dem Autofenster gehalten wurden. Apropos, in ganz Bayern fällt die Fußball-Saison 2020/2021 im Amateurbereich der Damen und Herren komplett aus. Der Bayrische Fußballverband (BFV) beschloss den Vereinen vorzuschlagen, die jetzige Spielzeit bis zum 30. Juni 2021 zu verlängern. Nach dem Covid-19-Ausbruch bei Nerzen, werden alle Pelztiere der betroffenen Farmen in den Niederlanden mit Gas getötet und die Kadaver von einem Spezialbetrieb vernichtet. Ab 2024 ist die Zucht von Nerzen aufgrund eines Gerichtsurteils dort ganz verboten. Kalifornien will Film- und Fernsehdrehs ab 12. Juni wieder erlauben. Zahlreiche Auflagen müssen erfüllt werden. Abstandsregeln und das Tragen von Mundschutz werden lediglich empfohlen. Eine neue Corona-Filmkultur wird also zumindest aus Hollywood nicht kommen. Ungarn hebt die Beschränkungen im Reiseverkehr mit Deutschland auf. Der Vatikanstaat erklärt sich für coronavirusfrei. 2.000 Covid-19-Tote in Pakistan, fast 36.000 in Brasilien. Dort wird die Regierung künftig keinerlei Zahlen über Infizierte und Tote mehr veröffentlichen. Nachdem Präsident Jair ‚kleine Grippe‘ Bolsonaro bereits vorgestern erklärte „Das ist ab jetzt kein Thema für die Hauptnachrichten.“ twitterte er nun „Die kumulativen Daten spiegeln nicht wider, wo sich das Land gerade befindet.“ Sicher, sicher. Augen zu und durch.

Heute: Berlin, Schankwirtschaft Baiz, 20 Uhr: Reformbühne Heim & Welt (Re-Start vor Publikum) mit Heiko Werning, Dr. Jakob Hein, Falko Hennig, Gott und Ahne, einer Anneliese-Hülschrath-Gedächtniskolumne von Jürgen Witte aus Steglitz und unserer Super-Stargästin Lisa Steger (wegen Corona-Abstandsregeln dürfen zur Zeit nur 25 Gäste in die Baiz, sämtliche Plätze sind bereits vergeben, wir übertragen allerdings auch live auf unserem Facebook-Kanal). Für nächste Woche vorbestellen? reservierung-reformbuehne@web.de

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