Corona-Tagebuch 397

26. Juli 2021

So dicht am ersten Ausfall einer Reformbühne Heim & Welt waren wir seit mehr als 20 Jahren nicht. Es schüttete wie aus Kübeln, blitzte und donnerte gegen 19 Uhr, als unsere seit mehr als 26 Jahren Sonntag für Sonntag stattfindende Vorleseshow gestern beginnen sollte. Das ist eben der klitzekleine Nachteil einer Open-Air-Veranstaltung. Das Areal glich zeitweise einem See, der Strom war weg und trotzdem harrten ein paar Unentwegte mit uns gemeinsam aus. Die Jurte auf dem Gelände durfte nicht genutzt werden, der Corona-Bestimmungen wegen, da hätten alle aktuelle Tests benötigt, also entschlossen wir uns das Programm unters Dach der ehemaligen Tankstelle zu verlegen, unverstärkt, im Dämmerlicht. Mandana wischte Stühle für immerhin noch 16 verbliebene Zuschauerinnen mit Küchenrolle trocken und dann zogen wir das Ding durch. Vergessen werden es die Dabeigewesenen wohl nie. Helge Schneiders Abbruch seines Auftrittes in Augsburg schlägt im Netz hohe Wellen. Selbstverständlich geben sich auch die üblichen Schwachmaten die Ehre. Sowohl die Querdenker-Fraktion, die ihn als standhaften Kämpfer gegen die Corona-Diktatur vereinnahmen möchte, als auch konservative Verteidiger abendländischer Hochkultur, die gegen „Blödelclowns“ und „entartete Kunst“ ins Feld ziehen. Schönes Beispiel, die Meinung eines, nun ja, leicht schusseligen (mal Korrektur lesen?) web.de-Users Fritz Schröder: „Schneider ist ein Abbild des Niedergangs Deutscher Kultur und nicht nur er zeigen uns diese traurige Entwicklung auf jeden Tag.“ Dazu `nen schmissigen Schlager von Richard Wagner und der Tag ist geritzt. Zum Ende ihrer Amtszeit läuft Angela Merkel zu komödiantischer Hochform auf, konterte vor vier Tagen eine Pressekonferenz-Frage des Querdenker-Idols Boris Reitschuster mit der Gegenfrage: „Gibt es außer Rissen bei Ihnen noch irgendetwas Zusammenhängendes?“ Vielleicht hat sie ab Oktober ja mal Lust bei uns aufzutreten. In Irland darf seit heute die Innengastronomie wieder öffnen, für Geimpfte und Minderjährige. Südafrika hebt wegen fallender Infektionszahlen das Alkoholverkaufsverbot sowie die Reisebeschränkungen wieder auf. Aufgelöst wurde Sonnabend-Nacht in der Berliner Hasenheide eine Techno-Party mit 4.000 Leuten von der Polizei. In Tunesien protestierten landesweit Tausende gegen die Corona-Politik der Regierung. Die Krankenhäuser dort sind voll, es fehlt an Impfstoff. Über 200 Covid-19-Tote meldet Guinea, über 400 Zypern, über 4.000 Thailand, über 7.000 Myanmar, über 35.000 Chile. Ebenfalls schlimm, in unserer Straße wird seit 4 Tagen vormittags lautstark der 80-iger-Jahre-Kabarettschlager ‚Codo der Dritte‘ („ich düse, düse, düse, düse im Sauseschritt“) abgespielt, immer wieder. Anfangs dachte ich, wegen CSD oder so, ironisch vielleicht, mittlerweile jedoch tippe ich auf Zermürbungsstrategie. Jemand will mich aus unserer Straße ekeln. Die Bundesregierung?

Tipp für heute: In den Widerstand gehen (Heizungskeller).

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