Rheinsberger Tagebuch (19)

14. November 2017

Es hat zum ersten Mal gefroren, draußen. Jedenfalls habe ich es zum ersten Mal wahrgenommen. Die Pfützen auf dem Hofe des Marstall-Geländes sind mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Ich freue mich darüber, wie ein Kind. Meine Arme verkrampfen und ich zittere am ganzen Körper, eine spastische Behinderung (wie ich sie nenne) mit der ich aber mittlerweile gut leben kann. Wir wollten ja eigentlich mal eine Anthologie herausgeben, mit unseren leichten bis mittleren Behinderungen. Fast jeder an den Berliner Lesebühnen hätte einen Beitrag dazu abliefern können. Von Schwerhörigkeit, über die Folgen einer Kinderlähmung, leichtere Formen von Autismus, Depressionen, Blindheit, Schuppenflechte, Alkoholismus, Hepatitis C, antisozialem Verhalten, ja, sogar Legasthenie, es war fast alles vertreten, was man sich überhaupt vorstellen kann. Ein Zukunftsprojekt? Möchte mich nicht erneut jemand als Stadtschreiber einstellen, damit ich an die Realisierung dieses Projektes mich heranwagen kann? Eisenhüttenstadt? Leverkusen? New York? Letzte Woche hatte ich eine Lesung in der von Rheinsberg nicht weit entfernten Kreisstadt Neuruppin. In der Fontane-Buchhandlung. Da war ich überrascht, positiv überrascht, von den vielen Leuten, die eine sehr gute Stimmung verbreiteten. Und das, obwohl zeitgleich der Martini-Markt stattfand, eine Art Oktoberfest im November, mit viel Glitzer und halsbrecherischen Fahrgeschäften, nicht zu vergessen Freund Alkohol. Danke, Neuruppin! Ich komme gerne wieder. In Rheinsberg haben die Kraniche das Zepter übernommen, zumindest in der Luft. Sie verbreiten einen ungeheuren Lärm. Normalerweise müssten sie um diese Zeit ja bereits in den Süden geflogen sein, Spaniens Eichenwälder leerknabbern, aber dank des nicht stattfindenden Klimawandels bleiben viele jetzt auch über den Winter. Am 18.11. findet die Kneipenmeile in Rheinsberg statt. Leider muss ich dann in Dessau weilen. Was heißt leider? Ich darf im Schwabehaus auftreten und im Bauhaus schlafen. Huch, jetzt verkrampfen sich meine Arme schon wieder.

Tipp für heute: Ruhig ein wenig mit der eigenen Behinderung prahlen.

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6 Kommentare zu “Rheinsberger Tagebuch (19)”

  1. 01

    Ich wünsche Dir einen neuen Stadtschreiber- Auftrag,
    muss doch möglich sein, vielleicht in einer anderen Stadt um Berlin…

    Roswitha am 14. November 2017 um 20:47
  2. 02

    Ich bin dabei. Wir ziehen das gemeinsam auf, zusammen mit Karsten Krampitz, Tube und… du weißt schon, halt mit allen anderen. Meine 30% hab ich ja schon…

    Em am 17. November 2017 um 17:14
  3. 03

    @ Roswitha: Erkner wäre schön.

    Ahne am 18. November 2017 um 14:13
  4. 04

    @ Em: Machen wa. Ick hab schon 70%.

    Ahne am 18. November 2017 um 14:14
  5. 05

    @Ahne: Neeneenee! Erkner kommt gar nicht in Frage – das ist mein Pilzrevier. Punkt

    ultramatze am 20. November 2017 um 15:41
  6. 06

    @ ultramatze: Dann villeicht Wilhelmshagen?

    Ahne am 20. November 2017 um 15:56

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