Corona-Tagebuch 143

11. November 2020

Ein wenig kam ich mir gestern im Plattenladen, dem ehemaligen Vopo-Records in der ehemaligen Dimitroffstraße vor, als wäre ich in einem Sex-Shop. Kramte verschämt im Oi-Punk-Regal herum, als wäre ich nur mal so da, interessehalber, dabei wusste ich genau, was ich wollte, nämlich das neue Ärzte-Album. Erst jedoch, als ich allein im Laden war, griff ich mir das Teil und rannte hinaus. Nein, ich zahlte natürlich brav, ist ja ein guter Laden. Und es ist auch ein gutes Album, doch, habe bereits mehrere Lieblingsstücke, ‚Morgens pauken‘ und ‚Leben vor dem Tod‘ zum Beispiel. Das Buch zum Album hätten sie sich allerdings sparen können, überflüssig wie ein Kropf. Ganz ohne Klimbim kommt das neue Werk von Sebastian Krämer aus, neben dem Frankfurt/Mainer Elis und dem untergetauchten Jan Koch mein favorisierter Liedermacher. ‚Liebeslieder an deine Tante‘ heißt seine Platte und ist beim sympatischen ‚Reptiphon-Verlag‘ heraus gekommen. Anspieltipp: ‚Kein Liebeslied für dich‘. Die Stadt Schwerin hat die für den gestrigen Abend mit bis zu 100.000 Teilnehmern angemeldete Demonstration gegen Corona-Maßnahmen verboten, weil der Anmelder nicht aus Mecklenburg/Vorpommern stammte, bereits seine Reise ins Bundesland gegen die Corona-Landesverordnung verstoßen hätte und ohne Versammlungsleiter ein reibungsloser Ablauf der Demo nicht zu gewährleisten sei. Demonstriert wurde trotzdem. Etwa 500 Menschen kamen. Auf einem Plakat war zu lesen: „Niemand wird uns das freie Atmen verbieten“. Täte ich antworten: Na, dann ist doch alles gut. Auf dem Inselstaat Vanuatu wurde die erste Corona-Infektion registriert, bei einem reisenden Rückkehrer aus den USA. Diese melden einen Rekord bei Neuinfektionen, 201.961 Fälle am Tag und 1.535 Todesopfer innerhalb von 24 Stunden. Außerdem seien seit August etwa 15.000 Nerze am Coronavirus in den USA gestorben, etwa ein Dutzend Pelztierfarmen stünden unter Quarantäne. Die deutschen Grünen haben die Bundesregierung aufgefordert, sich für ein europaweites Verbot aller Pelztierfarmen auszusprechen. Das ungarische Parlament ruft erneut für 90 Tage den Corona-Notstand aus. In Moskau schließen für zwei Monate Restaurants, Bars und Nachtclubs zwischen 23 und 6 Uhr. In Singapur sollen dagegen ab Dezember 25 Clubs und Karaoke-Bars wieder probeweise öffnen. Dort sind die täglichen Neuinfektionszahlen seit August größtenteils im einstelligen Bereich. Genau wie in Hongkong. Beide Orte planen den Tourismus wieder anzukurbeln und deswegen gibt es vom 22. November an tägliche Flüge zwischen Singapur und Hongkong, hin und her, ohne dass man 14 Tage in Quarantäne muss. Könnte mir vorstellen, das Klima sagt: Danke! Über 300 Covid-19-Tote meldet Malaysia, über 400 die Slowakei, über 500 Georgien, über 600 Slowenien, über 2.000 Tunesien, über 3.000 Portugal und die Schweiz, über 9.000 die Ukraine. Nach Informationen der französischen Nachrichtenagentur AFP wollen nur etwas mehr als 6% der Deutschen zu Weihnachten, die meisten „Qualitätsmedien“ schreiben mittlerweile „an Weihnachten“, ein Restaurant aufsuchen. Stattdessen möchten fast 90% der Befragten selber zuhause (anhause?) kochen. Der Rest verzichtet auf Essen, hat kein Geld und kein Zuhause, schmiert sich ’ne Stulle oder, klar, isst, was von Ostern übrig blieb.

Tipp für heute: Im vom Corona-Lockdown wesentlich härter betroffenen Belgien planen übrigens 75% einen Restaurant-Besuch zu Weihnachten.

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