Corona-Tagebuch 203

12. Oktober 2020

Ich habe einen neuen Klapprechner. Also einen Alten, gebraucht. Er rumpelt ziemlich und dampft auch, wie jemand aus dem 19. Jahrhundert, doch das passt zu mir, finde ich. Bin ja ebenfalls nicht mehr der Frischeste, gehöre sicher schon zur Risikogruppe der über 20-jährigen. Wir werden uns bestimmt verstehen. Louise Glück hat den Literaturnobelpreis erhalten. Schon wieder nicht ich. Nehme das langsam persönlich. Glück, Louise, was für ein schöner Name. Wusste gar nicht, dass sie in den USA Umlaute mit Pünktchen schreiben. Die Frankfurter Buchmesse findet jetzt doch ohne Publikum statt und der Brüsseler Autosalon fällt gleich ganz aus. In München darf ab Mittwoch nach 22 Uhr kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden. In Katalonien sollen Firmen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auffordern wieder von zuhause aus zu arbeiten. Die Slowakei hat ein Versammlungsverbot beschlossen und eine Maskenpflicht im Freien. Sämtliche Großveranstaltungen dort wurden untersagt. Restaurants dürfen nur noch Speisen zum Mitnehmen anbieten, Lebensmittelläden und Drogerien müssen einen Teil ihrer Öffnungszeiten für Senioren reservieren, also für uns, die Über-20-jährigen. Ha, ha, ha, kleiner Spaß. In der obersten spanischen Handballliga ist es zum ersten Duell mit Maskenpflicht gekommen. Beim Spiel zwischen Abanca Ademar und Liberbank Sinfin de Santander in der Stadt Leon war laut Beobachtern zu sehen, wie einigen Spielern im Eifer des Gefechts ab und zu die Maske bis unters Kinn rutschte. Der Trainer von Ademar bezeichnete diese Maskenpflicht als „absurd“. Ich denke, so was ist im Hochleistungssport tatsächlich gesundheitsschädlich. Dann soll man die Spiele lieber ganz verbieten. England installiert ein dreistufiges Warnsystem (mittel, hoch, sehr hoch) nach dem bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. In Liverpool gilt gleich die Höchste, alle Kneipen, Fitnessstudios, Spielhallen, Casinos und Wettbüros müssen schließen, Angehörige verschiedener Haushalte dürfen sich nicht mehr treffen, weder drinnen, noch draußen. Helgoland erlässt für ein paar Straßen und Plätze die Maskenpflicht im Freien. Der Libanon verhängt über 170 Dörfer und Städte eine Ausgangssperre, Bars und Diskotheken müssen geschlossen bleiben. In Südkorea dagegen dürfen Nachtclubs und Karaoke-Bars mit einem Hygiene-Konzept wieder öffnen. Gestern gab es dort im gesamten Land 97 Neuinfektionen. Einen Rekord an Neuinfektionen meldet der Iran, 4.206 Fälle am Tag. Über 200 Covid-19-Tote in Montenegro, über 900 in Weißrussland, über 1.000 in Tschechien. Am Brandenburger Tor haben 200 Querdenker gegen die Corona-Maßnahmen der deutschen Bundesregierung protestiert, angemeldet waren laut Polizei 2.500. Bei unserer gestrigen Reformbühne mussten wir improvisieren, Susanne Riedel und ich sangen, zusätzlich zu unseren vorgelesenen Texten, noch Lieder, weil unserem musikalischen Gast Marco Tschirpke das Risiko nach Blick in den Veranstaltungsraum zu hoch erschien. Kann man verstehen, muss man verstehen. Hoffentlich lassen es die Verhältnisse bald wieder zu, dass wir ihn auf unserer Bühne erleben können.

Tipp für heute: In den Berliner U-Bahnen sind ordentlich Kontrolleure unterwegs, wahrscheinlich um die Bevölkerung gegen die Streikenden der BVG aufzubringen.

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